Afro Sambas – Labareda Project
Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein. Erst recht nicht, wenn sie mit menschlichen Charakterzügen ausgestattet sind. So wie Xangô, der trotz seines furchterregenden Aussehens und seiner unmenschlichen Kraft lieber Friedensstifter als Krieger wäre. Oder Iemanjá, die Göttin des Meeres, die der Legende nach derartig viel redete, »dass ihr Mann davon verrückt wurde.« Ihnen und anderen Göttern begegnen wir auf ›Afro Sambas‹ – dem Debüt-Album des Mara Minjoli & João Luís Quintets. Mit seiner Interpretation eines Meilensteins aus der brasilianischen Populärmusik ist dem Ensemble ein kleiner Geniestreich gelungen, dessen Ausgangspunkt im Jahr 1966 liegt.
Damals erschien ›Os Afro Sambas‹ – eine Kooperation zwischen dem Gitarristen Baden Powell und dem Poeten Vinícius de Moraes. Ein Album, auf dem traditionelle Klänge der Candomblé-Musik auf tänzerische Samba-Passagen und Instrumente der Umbanda-Religion treffen. Daraus ließen die Musiker eine Atmosphäre entstehen, die ebenso mystisch wie feierlich wirkt. Und sie schafften einen imposanten Beleg dafür, dass – im besten Sinne des Wortes – großartige Weltmusik entstehen kann, wenn sich Elemente aus verschiedenen Kulturen miteinander vermischen. Bis heute hat ›Os Afro Sambas‹ unzählige Künstler inspiriert.
›Leichtigkeit trotz Tragik‹ lautet das Rezept, mit dem der Band eine großartige, dem Original überaus würdige Interpretation gelungen ist. Dabei scheinen die oft düsteren, tragischen Texte und die beschwingten, geradezu feierlichen Melodien auf dem ersten Blick in einem unauflösbaren Widerspruch zu stehen. Aber genau das ist die hohe Kunst, die einst schon Powell und de Moraes perfekt beherrschten und nun vom Mara Minjoli & João Luís Quintet in neue Dimensionen geführt wird. Sei es in der Art eines »tropischen Tanzes mit hypnotisierendem Gesang bei ›Iemanya‹, einer Kombination aus rasant verspielten Percussion-Klängen mit jazzigem Klavier (›Labareda‹) oder dem ›Canto de Oxum‹, das eher catchy, aber mit wunderbar virtuoser Gitarre daherkommt«, wie es der Musik-Journalist Daniel Senzek formuliert.
»Als Brasilianer bin ich stolz auf das Werk meiner Landsleute, weil sie es geschafft haben, intelligente Melodien zu komponieren, denen man gerne zuhört«, sagt João Luís über die künstlerischen Qualitäten des Duos Powell/de Moraes. Thomas Hufschmidt sieht aber auch in den neuen Arrangements einzigartige Qualitäten. »Die brasilianische Musik, die man bei uns in Deutschland hört, ist oft mit der Musik von Antonio Carlos Jobim verbunden. Das sind in der Regel Stücke im Bossa Feel. Die Musik auf unserer Produktion steht jedoch nicht in der Tradition des Bossa Novas, sondern ist stark durch afrikanische Einflüsse geprägt – Afro Sambas eben. Das ist – neben der ungewöhnlichen Bandbesetzung – ein weiteres Alleinstellungsmerkmal unseres Albums, was in der heutigen Zeit selten ist.«
Viele Gründe also, die Kompositionen des Mara Minjoli & João Luís Quintetts auf sich wirken zu lassen. Die meisten von ihnen drehen sich – wie in ›Tempo de Amor‹ um das zweischneidige Schwert der Liebe. Sie kann mächtig und derartig schön sein, dass sie alle anderen Gefühle in den Schatten stellt. Sie kann – in Form von Intrigen und Machtspielen - aber auch unvergleichlich schmerzhaft sein, so dass man ihr am liebsten entsagen möchte. Doch wer kann das schon, wenn noch nicht einmal übermenschliche Wesen dazu in der Lage sind? Es ist eben nicht leicht, ein Gott zu sein. Man könnte aber auch schlussfolgern, dass Götter letztlich auch nur Menschen sind.